Hessischer Fußball-Verband investiert in seiner Sportschule

Oberhessische Zeitung vom 29. Juni 2020

Thomas Schmitt hat sich einige Stunden Zeit genommen, um die insgesamt fünf Baumaßnahmen, mit denen der Hessische Fußball-Verband (HFV) seine Anlage zukunftsfähig machen möchte, zu erläutern.
Grünberg. Es ist ein beschaulicher Juni-Tag in der Sportschule Grünberg. Drei Arbeiter ziehen bei angenehmen 22 Grad Außentemperatur die letzten Erdhügel glatt, damit in diesen Tagen der neue Rasen des von einem auf zwei Spielfelder vergrößerten Stadions eingesät werden kann. Hinter der Sporthalle verlängern ein gutes Dutzend Trainer bei lockeren Übungen ihre B- beziehungsweise C-Lizenzen. Im neuen Wintergarten legen Verputzer Hand an. Und in den umgebauten und aufgehübschten Zimmern sowohl des Hotelkomplexes als auch des Schulungstraktes geben sich Schreiner alle Mühe, eine wohlige Atmosphäre zu schaffen.
Thomas Schmitt hat sich einige Stunden Zeit genommen, um die insgesamt fünf Baumaßnahmen, mit denen der Hessische Fußball-Verband (HFV) seine Anlage zukunftsfähig machen möchte, zu erläutern. Zwischendurch bleibt der 61-Jährige, der seit 2015 am Rande der Gallusstadt arbeitet, immer wieder stehen und schaut sich um. Er genießt die Ruhe, die das über 16 Hektar große Areal trotz aller in Coronazeiten langsam wieder anlaufender Betriebsamkeit ausstrahlt.

"Es gibt doch wirklich schlechtere Arbeitsplätze als diesen hier", kommt der gebürtige Pfälzer nach eigener Aussage "jeden Tag mit großer Freude hierher", um die Geschicke von Hotel und Sportschule zu leiten, sich um seine 60 Mitarbeiter zu kümmern und die Einrichtungen in eine sichere Zukunft zu begleiten. Was jeden Tag, so Schmitt, "großer Anstrengungen" und vor allem großer Investitionen bedarf. Sie werden bis auf wenige Zuschüsse komplett vom HFV getragen. Auf über sechs Millionen Euro belaufen sich die Kosten für den Neu-, Um- und Ausbau, der sich in fünf Teilabschnitte gliedert.

Stadion
Die Coronakrise hat zur Verschiebung der Eröffnung geführt. Statt am 23. August dieses Jahres steigt sie nun am Sonntag, den 13. Juni 2021. Das ursprünglich angedachte Motto "50 Jahre Frauenfußball" bleibt bestehen, auch die Hessenpokalfinals der Frauen und der Juniorinnen sollen unter den Augen von Fritz Keller, dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), sowie Frauen-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg über die Bühne gehen. "So bedauerlich die Verlegung auch ist, so kann ich der Krise aber auch Positives abgewinnen", verweist Thomas Schmitt auf ein deutlich entspannteres Arbeiten sowie einigen Verzögerungen bei der Anlieferung von Material, "dem wir gelassen entgegensehen konnten." Die Runderneuerung des Stadions, das beim Bau der Sportschule 1953/54 als erstes von vier Feldern angelegt worden war, beinhaltet nun zwei parallel angelegte Fußballplätze, jeweils 90 mal 70 Meter groß, die zu einem Areal in Bundesligagröße umgebaut werden können. Dafür musste die altehrwürdige 400-Meter-Aschenbahn weichen. Sie wurde durch die 125 Meter lange zweispurige Tartan-Laufbahn ersetzt, die in diesen Tagen ihren roten Belag erhält. Der Rasen wird durch eine Beregnungsanlage gewässert, die über eine App auf einem Tablet zu steuern ist, die sich an dem jeweiligen Wetterbericht des Tages orientiert. An einer der Längsseiten beherbergen künftig zwei Stufen rund 200 Zuschauer. Sie können bei Bedarf, so Thomas Schmitt, "durch weitere Reihen auf 400 Besucher erweitert" werden. Dass mehrere Hundert Fichten gefällt werden mussten, kann Schmitt erklären. "Sie waren durch den Borkenkäfer so sehr befallen, dass sie sowieso hätten weichen müssen." An anderen Stellen wurden zahlreiche Laub- und Apfelbäume neu gepflanzt, so dass der parkähnliche Charakter der Sportschule erhalten bleibt. Investition: eine Million Euro.

INITIATOR WILLY LINNENBERG
Nachdem die HFV-Delegierten 1951 beim Verbandstag in Griesheim die Entscheidung getroffen hatten, den Bau einer eigenen Sportschule in Angriff zu nehmen, fand nach Abschluss der Planungen zwei Jahre später die Grundsteinlegung in Grünberg statt. Nur ein weiteres Jahr danach begrüßte der damalige Präsident des HFV und Hauptinitiator des Vorhabens, Willy Linneberg, über 2000 geladene Gäste zur offiziellen Eröffnungsfeier Trotz der kurzen Bauzeit war die Sportschule für damalige Verhältnisse ein Projekt der Superlative und sorgte nach dem Gewinn des WM-Titels 1954 in Bern für einen weiteren Höhepunkt für die fußballbegeisterte hessische Bevölkerung. (afi)

Tagungszentrum
Der Neubau für Tagungen, der weitere Unterkünfte im Obergeschoss beinhalten wird, soll noch in diesem Herbst beginnen und im Frühjahr 2021 abgeschlossen sein. Der Trakt unweit des für Grünberg so typischen Wandelganges am Rande des großen Parkplatzes wird sich harmonisch an das Sportschulgebäude anfügen und einen direkten Zugang zu den beiden Rasenplätzen und dem Kunstrasen haben. Investition: 3,9 Millionen Euro.
Wintergarten
Der alte Wintergarten, der Probleme mit dem Brandschutzgesetz offenbarte, ist abgerissen. Der neue, der klimatisch und lichttechnisch dem neuesten Standard entspricht, soll schon im August für die erste Hochzeitsfeier zur Verfügung stehen. Die Gäste werden durch die großen Fensterfronten, an die sich eine Terrasse für rund 100 Gäste anschließen wird, in den Garten bis zu den Rasen-Spielfeldern schauen können. Thomas Schmitt berichtet von rund 20 größeren Feierlichkeiten, die aufgrund der Coronakrise verlegt werden mussten. Investition: 650 000 Euro.

Beleuchtung
In der 1800 Quadratmeter großen Sporthalle, 1994 erbaut, hängen nun 52 sogenannte tageslichtabhängige LED-Lampen, die jedem Team, das seine Einheiten von draußen nach drinnen verlegen möchte, optimale Bedingungen bieten. Zu den drei alten Flutlichtmasten im Stadion, die inzwischen auf LED-Technik umgerüstet wurden, gesellen sich sechs neue. Investition: 250 000 Euro.
Sportschulzimmer
In den Fluren, in denen die Arbeiter zwischen Fotos von Jürgen Klinsmann, Andreas Brehme oder Karlheinz Riedle werkeln, herrscht große Betriebsamkeit. Die 28 Zweibettzimmer wurden aufgepimpt, nichts erinnert mehr an den Jugendherbergscharakter der Nachkriegszeit, der in den letzten Jahren dazu führte, dass sich immer mehr Profivereine gegen Grünberg entschieden. Investition: 200 000 Euro.

Der Sauna- und Wellnessbereich, den Sportler, Hotelgäste, aber auch externe Besucher nutzen können, wurde schon vor einigen Jahren umgebaut. Er verbindet alte Elemente wie Treppen und Fliesen mit hochmodernen Böden, Geräten und Mobiliar. "Hier können sich die Menschen richtig wohl fühlen", schwärmt Thomas Schmitt, der betont, dass die Kosten für die Umbauten der Zimmer natürlich von der betriebseigenen GmbH getragen werden.
Deren Auslastung sackte in Coronazeiten in den Keller. Die Verluste des Betriebes mit 80 Betten, Restaurant, 15 Konferenzräumen und dem Sportschultrakt mit 28 Zimmern, meist belegt durch junge Talente, beziffert Schmitt auf "rund 90 Prozent im Vergleich zum Vorjahr." Was nicht verwundert, denn ab Mitte März hatte das Hotel zehn Tage komplett geschlossen, ehe es für Geschäftsreisende wieder öffnen durfte. Touristen blieben aus, nur ein Drittel der Zimmer war belegt.
Die Zeit nutzen die Mitarbeiter, von denen gut die Hälfte in Kurzarbeit gehen musste, für Renovierungen, Aufräumarbeiten oder Saubermach-Aktionen. Was der Sportschule gutgetan hat, wie Thomas Schmitt betont. Der gelernte Hotelkaufmann schaut zur ehemaligen Waldsauna rüber, die er irgendwann zu einer Eventhalle für Geburtstage und andere Feiern umbauen lassen will. Davor haben die Gärtner eine über 100 Meter lange und zwei Meter breite Bienenwiese angelegt, so dass der Hotel-Chef bald den ersten Sportschulen-Honig anbieten möchte. Der Pfälzer fühlt sich wohl im Osten des Landkreises Gießen. "Es gibt doch wirklich schlechtere Arbeitsplätze als diesen hier."